Feministische Linguistik I - finally...
[finally - our internet connection didn't work yesterday..]
"Sprache und Geschlecht" von Gisela Klann-Delius (2005)
Kurz zum Aufbau, damit dus dir ungefähr vorstellen kannst:
- Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs
- Analysen & empirische Befunde (aufgeteilt in Sprachsystem und Sprachgebrauch)
- Erklärungsansätze
- Wirkungen: Sprachpolitik & Sprachwandel
Mit der Diskussion von Analysen des Sprachsystems hatte ich einige Probleme. Die Autorin (henceforth GKD) argumentiert, dass nicht das Sprachsystem an sich sexistisch sei, sondern nur der Sprachgebrauch, und dass dies in der feministischen Linguistik oft vermischt worden sei. Letztendlich sei es die Wahrnehmung der SprachbenutzerInnen, welche Sprache als sexistisch empfinde, und nicht die Sprache selbst.
Als Beispiel (das mich sehr irritiert, bin mir noch nicht so im klaren darüber, wie überzeugend ich das finde): das generische Maskulinum (also "der Student" oder "die Studenten", wenn beide Geschlechter gemeint sind). GDK u.a. argumentieren, dass "Student" doppeldeutig sei: einerseits bedeutet es 'Mann, der studiert', andererseits 'Person, die studiert'. Bei Lebewesen gebe es zu jeder sexusneutralen Bezeichnung ein gleichlautendes Wort, das sexusspezifisch sei, wobei es nicht stimme, dass das 'neutrale' Wort immer das Maskulinum sei - "Katze" zb kann sich sowohl auf die Gattung wie auch auf eine weibliche Katze beziehen.
Wenn "Student" aber doppeldeutig ist, wie wird dann entschieden, welche Bedeutung gemeint ist? Nach GDK & Co. nach dem Kontext, wobei immer die geschlechtsneutrale Bedeutung anzunehmen sei, wenn der Kontext nicht klar ist. Schön - aber weiter hinten im Buch zitiert sie Studien, die (für einmal recht eindeutig) belegen, dass die meisten untersuchten Personen "Student" etc. als Maskulina verstehen, also eben nicht geschlechtsneutral. Das wäre dann aber eben die Ebene des Sprachgebrauchs, und nicht mehr des Sprachssystems - folglich ist nicht das Sprachsystem sexistisch, sondern nur der Sprachgebrauch.
Ich finde diese strikte Trennung zwischen System und Gebrauch ziemlich schwierig - gibt es das System völlig unabhängig vom Gebrauch? Wenn nun die Mehrzahl der SprachbenutzerInnen "Student" als Maskulinum verstehen, ändert das nicht auch die Bedeutung dieses Begriffs im System?
Und: wenn es nunmal die weiblichen Formen "Studentin" und "Studentinnen" auf deutsch gibt - auf englisch zb gibts ja diese Form einfach nicht - wer legt dann fest, dass "Studenten" geschlechstneutral ist? Das leuchtet mir auch auf der Systemebene nicht ein. Scheint mir vielmehr eine Vereinfachung zu sein, dass man nicht immer "Studentinnen und Studenten" sagen muss. Aber zu behaupten, das sei ein geschlechtsneutraler Ausdruck, heisst doch einfach, dass er so verwendet werden kann, nicht dass er das abstrakt im System gesehen auch ist - da gibt ja keine Kriterien dafür, bzw. das kann nicht überprüft werden, weil das System ja immer nur über konkreten Sprachgebrauch untersucht werden kann.
Bei "Katze" wäre das doch ähnlich - es ist m.E. arbiträr (bzw. wahrscheinlich etymologisch erkärbar?), dass die feminine Bezeichnung als Gattungsname verwendet wird. Vielleicht auch: wenn deutlich werden soll, dass von einer weiblichen Katze gesprochen wird, muss man das explizit sagen, sonst wird nicht klar, dass das Geschlecht relevant ist. Bei "Student" ist das nicht so - niemand würde sagen "ein männlicher Student" (oder?)
[bin sehr gespannt, wie du das siehst - hab mich beim lesen sehr genervt und musste doch ziemlich nachdenken, bis ich ihre Argumente einigermassen kontern konnte...]
Bei den Analyse zum Sprachgebrauch gabs auch Spannendes:
GKDs Fazit ist, dass es gerade beim Gesprächsverhalten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt - von zwei getrennten Kulturen zu sprechen ist von daher ungerechtfertigt, die Unterschiede sind lange nicht so gross, wie das teilweise dargestellt wird.
Ausserdem kritisiert sie, dass die Studien methodisch oft schlecht gemacht sind: es werden oft nur sehr kleine Samples verwendet, ausserdem oft studentische (klar, an die kommt man einfach ran ;-)), trotzdem werden auf dieser beschränkten Basis Aussagen über das Gesprächsverhalten von Männern und Frauen allgemein gemacht. Ausserdem werden andere Faktoren, die das Gesprächsverhalten beeinflussen, oft nicht einbezogen - so wird zum Beispiel der situative Kontext oft zuwenig berücksichtigt (kennen die Leute sich? was ist ihr Verhältnis, ihr Status? wie lange dauert das Gespräch? welches Geschlecht haben die GesprächsteilnehmerInnen?)
Ausserdem würde oft die eigene Überzeugung, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die Interpretation der Resultate beeinflussen - so würden Unterschiede betont und Gemeinsamkeiten ausgeblebdet. GDK plädiert deshalb dafür, mehr von den Forschunsresultaten auszugehen, und auch einzugestehen, wie uneinheitlich und oft unklar diese sind.
(Insgesamt find ichs ne gute Einführung, die auch viel Forschungslit zusammenfasst - ist aber z.T. schlecht aufgebaut bzw. nicht besonders leserlich. Zum Schluss jedes Subkapitels gibts eine kurze Zusammenfassung, die z.T. aber gar nicht wirklich wiedergibt, was im Kapitel stand....)
[I'm off to Freiburg! Have a good time & happy reading!]
"Sprache und Geschlecht" von Gisela Klann-Delius (2005)
Kurz zum Aufbau, damit dus dir ungefähr vorstellen kannst:
- Entwicklungsgeschichte des Forschungsbereichs
- Analysen & empirische Befunde (aufgeteilt in Sprachsystem und Sprachgebrauch)
- Erklärungsansätze
- Wirkungen: Sprachpolitik & Sprachwandel
Mit der Diskussion von Analysen des Sprachsystems hatte ich einige Probleme. Die Autorin (henceforth GKD) argumentiert, dass nicht das Sprachsystem an sich sexistisch sei, sondern nur der Sprachgebrauch, und dass dies in der feministischen Linguistik oft vermischt worden sei. Letztendlich sei es die Wahrnehmung der SprachbenutzerInnen, welche Sprache als sexistisch empfinde, und nicht die Sprache selbst.
Als Beispiel (das mich sehr irritiert, bin mir noch nicht so im klaren darüber, wie überzeugend ich das finde): das generische Maskulinum (also "der Student" oder "die Studenten", wenn beide Geschlechter gemeint sind). GDK u.a. argumentieren, dass "Student" doppeldeutig sei: einerseits bedeutet es 'Mann, der studiert', andererseits 'Person, die studiert'. Bei Lebewesen gebe es zu jeder sexusneutralen Bezeichnung ein gleichlautendes Wort, das sexusspezifisch sei, wobei es nicht stimme, dass das 'neutrale' Wort immer das Maskulinum sei - "Katze" zb kann sich sowohl auf die Gattung wie auch auf eine weibliche Katze beziehen.
Wenn "Student" aber doppeldeutig ist, wie wird dann entschieden, welche Bedeutung gemeint ist? Nach GDK & Co. nach dem Kontext, wobei immer die geschlechtsneutrale Bedeutung anzunehmen sei, wenn der Kontext nicht klar ist. Schön - aber weiter hinten im Buch zitiert sie Studien, die (für einmal recht eindeutig) belegen, dass die meisten untersuchten Personen "Student" etc. als Maskulina verstehen, also eben nicht geschlechtsneutral. Das wäre dann aber eben die Ebene des Sprachgebrauchs, und nicht mehr des Sprachssystems - folglich ist nicht das Sprachsystem sexistisch, sondern nur der Sprachgebrauch.
Ich finde diese strikte Trennung zwischen System und Gebrauch ziemlich schwierig - gibt es das System völlig unabhängig vom Gebrauch? Wenn nun die Mehrzahl der SprachbenutzerInnen "Student" als Maskulinum verstehen, ändert das nicht auch die Bedeutung dieses Begriffs im System?
Und: wenn es nunmal die weiblichen Formen "Studentin" und "Studentinnen" auf deutsch gibt - auf englisch zb gibts ja diese Form einfach nicht - wer legt dann fest, dass "Studenten" geschlechstneutral ist? Das leuchtet mir auch auf der Systemebene nicht ein. Scheint mir vielmehr eine Vereinfachung zu sein, dass man nicht immer "Studentinnen und Studenten" sagen muss. Aber zu behaupten, das sei ein geschlechtsneutraler Ausdruck, heisst doch einfach, dass er so verwendet werden kann, nicht dass er das abstrakt im System gesehen auch ist - da gibt ja keine Kriterien dafür, bzw. das kann nicht überprüft werden, weil das System ja immer nur über konkreten Sprachgebrauch untersucht werden kann.
Bei "Katze" wäre das doch ähnlich - es ist m.E. arbiträr (bzw. wahrscheinlich etymologisch erkärbar?), dass die feminine Bezeichnung als Gattungsname verwendet wird. Vielleicht auch: wenn deutlich werden soll, dass von einer weiblichen Katze gesprochen wird, muss man das explizit sagen, sonst wird nicht klar, dass das Geschlecht relevant ist. Bei "Student" ist das nicht so - niemand würde sagen "ein männlicher Student" (oder?)
[bin sehr gespannt, wie du das siehst - hab mich beim lesen sehr genervt und musste doch ziemlich nachdenken, bis ich ihre Argumente einigermassen kontern konnte...]
Bei den Analyse zum Sprachgebrauch gabs auch Spannendes:
GKDs Fazit ist, dass es gerade beim Gesprächsverhalten mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen Frauen und Männern gibt - von zwei getrennten Kulturen zu sprechen ist von daher ungerechtfertigt, die Unterschiede sind lange nicht so gross, wie das teilweise dargestellt wird.
Ausserdem kritisiert sie, dass die Studien methodisch oft schlecht gemacht sind: es werden oft nur sehr kleine Samples verwendet, ausserdem oft studentische (klar, an die kommt man einfach ran ;-)), trotzdem werden auf dieser beschränkten Basis Aussagen über das Gesprächsverhalten von Männern und Frauen allgemein gemacht. Ausserdem werden andere Faktoren, die das Gesprächsverhalten beeinflussen, oft nicht einbezogen - so wird zum Beispiel der situative Kontext oft zuwenig berücksichtigt (kennen die Leute sich? was ist ihr Verhältnis, ihr Status? wie lange dauert das Gespräch? welches Geschlecht haben die GesprächsteilnehmerInnen?)
Ausserdem würde oft die eigene Überzeugung, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt, die Interpretation der Resultate beeinflussen - so würden Unterschiede betont und Gemeinsamkeiten ausgeblebdet. GDK plädiert deshalb dafür, mehr von den Forschunsresultaten auszugehen, und auch einzugestehen, wie uneinheitlich und oft unklar diese sind.
(Insgesamt find ichs ne gute Einführung, die auch viel Forschungslit zusammenfasst - ist aber z.T. schlecht aufgebaut bzw. nicht besonders leserlich. Zum Schluss jedes Subkapitels gibts eine kurze Zusammenfassung, die z.T. aber gar nicht wirklich wiedergibt, was im Kapitel stand....)
[I'm off to Freiburg! Have a good time & happy reading!]
To start out with:
Die Unterscheidung zwischen Sprachsystem und Sprachgebrauch macht, finde ich, nur begrenzt Sinn im Bezug auf "Sexismus", da die beiden ja aufeinander basieren - Sprachgebrauch formt das Sprachsystem, und das Sprachsystem definiert zu einem grossen Teil den Sprachgebrauch. (Dies wiederum macht die ganze Diskussion m.E. zu einem gewissen Grad redundant)
Eine Behauptung wie "das Sprachsystem ist nicht an sich sexistisch, nur der Sprachgebrauch" macht deshalb m.E. nur begrenzt Sinn, da ja der Sprachgebrauch durch das System definiert und geformt wird. Auf die andere Seite ist gewissermassen ein 'Truismus', da ja natürlich der "Sexismus" immer durch den Gebrauch zum Ausdruck kommt, und das Sprachsystem grundsätzlich neutral ist. Verstehst du was sagen möchte?
Wie ist "Sprachsystem" genau definiert? Im Chomsky'schen Sinne?
Finde auch, dass das Beispiel des "generischen Maskulinums" sehr schwach ist. Natürlich kann man sagen, dass das Wort theoretisch als Neutrum gebracht werden kann. Da aber die Bedeutung/Prägung eines Wortes immer durch die Sprachgemeinschaft definiert wird, würde ich sagen, dass das Wort Student z.B. ganz eindeutig nicht sexusneutral ist (vs. 'student' wiederum schon, wie du sagst).
Vielleicht muss man wiederum in einem Kontinuum denken - unter Umständen könnte "Student" sexusneutral sein, meistens aber nicht. Katze wiederum ist in den meisten Fällen sexusneutral (cf. "meine Katze ist ein Weibchen" (ok, finde ich) vs. "der männliche Student"). Der Mensch wiederum, trotz dem Artikel, ist m.E. vollkommen sexusneutral.
Natürlich ist Kontext zu einem gewissen Grad bedeutungsgebend; finde aber, dass die Prägung in vielen Fällen bereits zu stark ist (wie z.B. bei "Student"). In anderen Fällen funktioniert es: "meine Katze ist ein Jahr alt" vs. "drei Katzen und zwei Kater" - im ersten Fall ist Katze grundsätzlich neutral, im zweiten gibt der Kontext eine weiblich geprägte Bedeutung.
Mein Fazit: GKD's Aussagen können unterstützt werden, vielleicht sind nur ihre Beispiele nicht sehr gut? What do you think?
Zum weiblichen und männlichen Sprachgebrauch: stimmt natürlich - aber ist es nicht mit allen Aspekten der Soziolinguistik so, dass es ausserordentlich 'kontextabhängig' ist?
Aber spannend! Bin sicher, dass eine ausgiebigere verbale Diskussion folgen wird, wenn ich es auch gelesen habe! ;-)