Linguistically Speaking

Thursday, 5. January 2006

Daniela zu Gleichbehandlung & Sprachvergleich

[Das folgende ist alles von Daniela; ich habe mir erlaubt, daraus einen neuen Post zu machen, weil ich finde, dass da neue Aspekte aufkommen, die in einer neuen Runde besser diskutiert werden können]

Ich habe mich gestern grad in eine sehr interessante Artikelsammlung eingelesen: "Gender Across Languages: The linguistic representation of women and men", editiert von Marlis Hellinger und Hadumod Bussmann (2001, John Benjamins Publishing). In drei Bänden werden darin insgesamt 30 Sprachen nach den (soweit möglich) gleichen Kriterien auf ihre "gendered structures" hin untersucht. In der Einleitung dazu gehen sie auf die Vor- und Nachteile von Sprachen ein, die "gendered" sind (in erster Linie: ein Genussystem haben) oder eben nicht. Sie schreiben da (Band 1, S. 19f.):

"The assumption may be plausible that gender languages offer the larger potential for the avoidance of male-biased language - simply because female visibility is more easily achieved on the level of expression. At the same time, advocating an increase in female visibility may create problematic and potentially adverse effects in languages like Russian or Hebrew, where masculine/male terms for female reference are evaluated positively even by women. In addition, cosistent splitting, i.e. the explicit use of both women and men, is considered to be stylistically cumbersome by many speakers, esp. in languages with case. Thus, a comparative view would have to investigate the ways in which structural prerequisites interact with sociolinguistic tendencies of change.
By contrast, 'genderless' languages seem to provide more possibilities for egalitarian and gender-neutral expressions, by avoiding the dominant visibility of masculine terms, and stereotypical associations of feminine terms with secondary or exceptional status. However, in genderless languages it may be even more difficult to challenge the covert male bias and the exclusion of female imagery in many personal nouns."

In ihrem Artikel zum Türkischen untersucht Friederike Braun dann genau diesen "covert male bias" den viele scheinbar geschlechtsneutrale Bezeichnungen haben, anhand von verschiedenen Studien. Die Ergebnisse sind wirklich sehr eindrücklich, falls ihr mal Zeit habt das zu lesen kann ich euch das sehr empfehlen. Unter anderem war es der Fall, dass in einer Studie, in der den Teilnehmenden gesagt wurde es ginge um die Akzeptabilität von Sätzen die automatisch übersetzt worden sind, Sätze wie "A 22 year old football player, who had been married for only two days, lost her 22 year old husband in a tragic car accident in Maltepe yesterday" oftmals als nicht-akzeptabel eingestuft wurden, da "futbolcu" (football player) als nicht auf Frauen zutreffende Bezeichnung empfunden wurde. Die Teilnehmenden haben ausgesagt, sie würden den gleichen Sachverhalt mit anderen Worten ausdrücken wollen, so dass das Geschlecht der Fussballspielerin klar zum Ausdruck kommt. Wurde der Sachverhalt umgekehrt (männlicher Fussballspieler mit Ehefrau), wurde die Akzeptabilität sehr viel höher eingestuft. (Band 1, S. 292ff.)

Braun geht dann auch auf mögliche Lösungsansätze und Perspektiven ein (S. 303f.). Vereinzelt wurden im Türkischen in der letzten Zeit frauenspezifische Bezeichnungen (vor allem Berufsbezeichnungen) eingeführt, als Gegenstück zu Bezeichnungen die 'adam' beinhalten, das eine stark männliche Konnotation trägt, da es in erster Linie 'Mann' heisst aber auch (begrenzt) generisch verwendet werden kann. Braun sieht das Hauptproblem aber im "covert gender", da viele scheinbar geschlechtsneutrale Bezeichnungen stark geschlechtlich geprägt sind. Sie sagt:

"Especially desirable would be a change in the gender semantics of terms from neutral domains, such as kis,i 'person' or birisi 'someone', for the pervasive pattern of equating males and humans can lead to a neglect of women's interests and rights. But a constant repetition of explicitly 'female' forms, in order to enhance female visibility and to directly evoke female associations, would be a strategy which is alien to Turkish language structure (hence promising little success), and would in addition enhance the existing tendency to treat females as the marked gender. It might therefore be more promising to avoid explicit female markings in the hope of including females in those categories whose covert gender is originally male. But it is difficult to predict to what degree or in which timespan such a strategy might produce results."

Hier kommt wieder zum Ausdruck, dass die Veränderung der Assoziationen eines Begriffs sehr viel schwieriger zu bewerkstelligen ist, als wenn ein zusätzlicher Begriff eingeführt wird. Einen interessanten Punkt finde ich ausserdem, dass die Wahl der "Strategie" vom Sprachsystem abhängen soll. Vor diesem Hintergrund denke ich (wie bereits oben erwähnt), dass sich im Deutschen die Beidnennung schon anbietet, da bereits geschlechtsspezifische Bezeichnungen bestehen.

(Entschuldigt bitte das Sprachchaos. Über ein englischsprachiges Buch würde man wohl besser in Englisch diskutieren, ich spiele aber ein wenig mit dem Gedanken eines ROSA-Artikels zum Thema und wollte das darum schon mal auf Deutsch formulieren...)
 
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