Linguistically Speaking

Sunday, 20. August 2006

Schöne Geschichten und schöne Leichen

Ich hab letzte Woche Agnes von Peter Stamm gelesen - kennt das jemand? Ich fands sehr eindrücklich, toll geschrieben. Aber auch verstörend. (Achtung, Spoiler über den Inhalt...)

Das Buch beginnt schon mit dem Ende der Geschichte:
Agnes ist tot. Eine Geschichte hat sie getötet.

Und zwar die Geschichte, die der Erzähler über und für sie geschrieben hat.

Was mich vor allem ge-/verstört hat, war nicht mal so sehr die Geschichte selbst (obwohl ich auch die sehr eindrücklich fand - ich bin durch Literatur auch ziemlich beeinflussbar), sondern die Beurteilung auf dem Klappentext:
"Eine der schönsten Geschichten, die in letzter Zeit ein junger Schweizer geschrieben hat" - Die Zeit

Eine schöne Geschichte, das? Eine tote Frau, eine schöne Geschichte? Erinnert mich sehr an Edgar Allan Poes Ausspruch
"The death of a beautiful woman is, unquestionably, the most poetical topic in the world" (The Philosophy of Composition, 1846).

Auch das find ich verstörend. Warum muss es eine schöne Frau sein? Warum funktioniert ein schöner Mann nicht gleich? Warum ist es schön, wenn eine Frau stirbt? Wäre es im obigen Fall auch dann eine schöne Geschichte, wenn ein Mann sterben würde?

Es ist eindeutig Zeit, endlich mal Bronfens Nur über ihre Leiche zu lesen. Liest jemand mit?

Kleiner Appetizer:
Der weibliche Körper, dem alles Leben entspringt, wurde gleichzeitig zum Anderen der Kultur stilisiert - ein dunkler Kontinent der zerlegt, beherrscht und domestiziert werden darf, eine Alterität, die überwunden, ausgelagert oder abgesondert werden soll. Der Tod des Weiblichen entpuppt sich somit als besonders tragfähige Denkfigur für den Triumph der Kultur über die Natur (Vorwort zur Neuauflage 2004, V).

(Ich bin immer etwas skeptisch bei so Verallgemeinerungen über "die Kultur", bin aber sehr gespannt, wie sie das alles aufzieht und begründet - und einen wie allgemeinen Anspruch sie überhaupt hat.)

Notes

"Love (understood as the desire of good for another) is in fact so unnatural a phenomenon that it can scarcely repeat itself, the soul being unable to become virgin again and not having energy enough to cast itself out again into the ocean of another's soul."

Notes (1913) made by James Joyce for his play Exiles
 
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