Linguistically Speaking

Wednesday, 27. December 2006

erfolg?

als sie mit zwanzig
ein kind erwartete
wurde ihr heirat
befohlen

als sie mit dreissig
noch unternehmungslust zeige
wurde ihr dienst im hause
befohlen

als sie mit vierzig
noch einmal zu leben versuchte
wurde ihr anstand und tugend
befohlen

als sie mit fünzig
verbraucht und enttäuscht war
zog ihr mann
zu einer jüngeren frau

liebe gemeinde
wir befehlen zu viel
wir gehorchen zu viel
wir leben zu wenig


Kurt Marti, aus "Leichenreden"

dieses gedicht erschien
1969

2006
schreiben zwei schüler* dazu:
sicher eine muslimin
denen können männer und familie
alles befehlen

naivität
oder erfolg der emanzipation?

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* selbstverständlich kein generisches maskulinum

Tuesday, 12. December 2006

Abschied

Und ich lief den Weg in dem Wäldchen hinunter und ich rief seinen Namen aber er kam nicht wieder, ich habe ihn nie wieder gesehen, nie wieder [...] und ich wischte mir das Blut aus den Haaren und ich sinke nieder und ich vertippe mich pausenlos wie ich mich pausenlos verspreche, weil ich die Gedanken ich meine die Gedanken sind mir durcheinandergeraten, und ich kann sie nicht mehr in Ordnung bringen, weil ich kreise um dich, sage ich zu EJ [Ernst Jandel], ich kreise unaufhörlich um dich und ich weine um dich schon so viele Jahre eine so lange Zeit also ich entwische immer wieder in einen Stolperweg also ich stolpere pausenlos, auch meine Finger, so dasz ich mich zurechtweisen musz, zurückführen musz auf den intensiven Pfad meiner Lektüre, nicht wahr, mich selbst an der Hand nehmen und zurückführen [...].

Friederike Mayröcker: Und ich schüttle einen Liebling.

Sunday, 10. December 2006

Das ist also die Liebe

meine Nerven waren sehr aufgeregt, und Gertrude Stein sagt, in dem Gesicht stand dasz er, wenn er ein Stück Wiese angeschaut hatte, es immer ein Stück Wiese für ihn gewesen wäre, aber dann habe er die getroffen die er liebte, und wenn er dann auf ein Stück Wiese geschaut hätte, seien auf dem Stück Wiese Vögel und Schmetterlinge gewesen, die vorher nicht da waren, das ist also die Liebe.

Friederike Mayröcker (2006, 9): Und ich schüttle einen Liebling.

Noch ein Gedicht statt gar nichts (diesmal eine Neuentdeckung)

Winterlied

Als ich heute von dir ging
fiel der erste Schnee
und es machte sich mein Kopf
einen Reim auf Weh.

Denn es war die Kälte nicht
die die Tränen mir
in die Augen trieb es war
vielmehr Ungereimtes

Ach da warst du schon zu weit
als ich nach dir rief
und dich fragte wer die Nacht
in deinen Reimen schlief.

(Ulla Hahn)

(Statt leimenden diesmal nährende Reime - damit das Blog nicht ganz verhungert, wird es hin und wieder mit Reimen gefüttert.... (auch wenn es nur halbe Kreuzreime sind. Es soll sich ja nicht überfuttern))

(hm, vielleicht bin ich doch etwas zu müde zum Bloggen. Die Metaphern waren jedenfalls auch schon mal weniger schräg...)

Tuesday, 14. November 2006

Werbespruch des Tages

Mit wie viel Geld Sie glücklich werden, hängt von ... Ihrer finanziellen Situation ab.

(Swisscanto, in der NZZ).

Sinn oder Unsinn?

Friday, 10. November 2006

Weils meinen SchülerInnen so gut gefallen hat wie mir damals

Paris, 1. Mai 1977

sich an den händen fassen
die augen zumachen
und losrennen

daran
dass euch dieser wunsch überfällt
erkennt ihr
die ankunft der liebe

dann
dürft ihr nicht zögern

fasst euch an den händen
macht die augen zu
rennt los

(Alfred Andersch)

(wobei wir uns nicht einig sind, ob das ein Gedicht ist)

(und weil es mir immer noch gefällt)

(und weil ich sonst zu nichts komme)

(und ja, das ist jetzt die letzte Klammer. Vielleicht wirklich ein Symptom von Fussnoten-Entzug, dieses obsessive klammern?)

Sunday, 22. October 2006

Extreme-Run-On-Line-Rhyming

Beautiful soup! Who cares for fish,
Game, or any other dish?
Who would not give all else for two p
ennyworth only of beautiful soup?

"The Mock Turtle's Soup Song"
From: Lewis Carroll, Alice in Wonderland, p. 102.

How to Get Your Students' Attention in Grammar Lessons

Learn something f(airly) useful about grammar lessons and word use in Indian English:

Indian_Teacher (mp3, 504 KB)

Friday, 13. October 2006

Verglast

“[…] Es geht um den Sturz in die Tiefe, und zwar von der Lorzentobelbrücke zwischen Baar und Menzingen. Immer mal wieder springt einer, der nicht weiterleben will, hinunter. Jetzt lässt die Zuger Regierung an der Brücke unüberwindbare Wände aus Plexiglas anbringen, und man fragt sich natürlich, warum sie nicht früher darauf gekommen ist.
So einfach die Lösung manchmal ist für die komplizierten Probleme des Lebens, man muss doch auch weitergehen und fragen, was der Lebensmüde denn nun tut, wenn er unverrichteter Dinge abzieht. Geht er einfach heim und freut sich am schieren Dasein? Oder pflückt er im Wald den nächstbesten Pilz? Betritt er eine Apotheke und kauft ein Päckchen Xerbotryl®? Erwirbt er in der landwirtschaft- lichen Genossenschaft einen reissfesten Kälberstrick?
Eigentlich müsste die Zuger Regierung ja überall Plexiglasswände aufstellen, entlang von Geleisen, um Pilze und Apotheken herum und um landwirtschaftliche Genossenschaften. „Ach nein!“, sagt der Zuger Gesundheitsdirektor Joachim Eder am Fernsehen. Das rein Brückenspezifische genüge. „Die wissenschaftliche Forschung hat gezeigt, dass Leute, die sich mit einem Sprung aus der Höhe das Leben nehmen, sich nicht vor den Zug werfen oder mit Gift umbringen würden.“ Die Brücke als originärer Ort der suizidalen Inspiration. Da darf der Laie wieder mal über die Wissenschaft staunen. Ja Gopf, wie hat sie das nur herausgekriegt? Wir sehen den Forscher förmlich im Lorzentobel sitzen und den herabstürzenden Probanden per Megaphon die Frage zurufen: „Hätten Sie sich auch vorstellen können, einen giftigen Pilz zu essen?“

Aus: Mathias Ninck, „Hinter Plexiglass“, Kolumne in der NZZ am Sonntag vom 8. Oktober 06.

Tuesday, 10. October 2006

Warum ich nicht blogge...

Das Wesentliche der intellektuellen Ausbildung ist der Erwerb der Fähigkeit, die Welt so zu sehen, wie andere sie sehen, und die Möglichkeit zu berücksichtigen, dass andere vielleicht etwas sehen, was wir nicht gesehen haben.

(...ich bin daran herauszufinden, wie man das anderen beibringen könnte - falls das überhaupt etwas Beibringbares ist...)
 
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